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Fundamentalanalyse von Kryptowährungen

Jede Investition sollte genau überprüft und verstanden werden, bevor sie getätigt wird. Wie das bei Kryptowährungen möglich ist und über den Unterschied zwischen Kryptowährungen und Security Tokens.


"Fundamentalanalyse im Krypto Winter" erstellt mit AI.


Ist derzeit ein guter Einstiegszeitpunkt für Kryptowährungen?


Aktuell haben wir den sogenannten „Krypto-Winter“. Bitcoin ist von seinem Hoch (69.000 USD für 1 Bitcoin im November 2021) auf derzeit 16.700 USD pro Bitcoin gefallen. Das ist ein Verlust von über 77%. Auch die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen zusammen ist von über 3 Billionen USD auf ca. 800 Milliarden USD gefallen. Der gesamte Markt ist also um über 70% eingebrochen. Informationen dazu sind auf https://coinmarketcap.com zu finden.


Auf den ersten Blick könnte man also meinen, dass es Bitcoin & Co derzeit zu Diskont-Preisen gibt. Immerhin deutlich günstiger als noch vor anderthalb Jahren.

Doch sind sie auch tatsächlich derzeit günstig?


Um mögliche Antworten auf diese Frage zu finden habe ich den heutigen Beitrag verfasst.


Was ist Fundamentalanalyse?


Im Gegensatz zur technischen Analyse (Charttechnik) die sich Kursverläufe (Charts) aus der Vergangenheit ansieht, um Rückschlüsse von Mustern auf die Zukunft zu machen (mit der Argumentation, dass sich Verhaltensmuster wiederholen) versucht die Fundamentalanalyse den inneren Wert („intrinsic value“) einer Investition greifbar zu machen. Egal wie der Kurs an der Börse gerade ist. Dann lässt sich leicht feststellen, ob eine Investition gerade günstig oder teuer ist. Ein berühmter und erfolgreicher Verfechter der Fundamentalanalyse ist Warren Buffett.


Eine vereinfache Erklärung wie man bei der Fundamentalanalyse vorgeht anhand eines Beispieles:

Was ist der innere Wert einer Apfelplantage, die jedes Jahr eine Ernte von 100kg Äpfel ermöglicht, die sich mit EUR 2,50 Gewinn pro kg verkaufen lassen?

Um das Beispiel einfacher zu gestalten, gehe ich davon aus dass der innere Wert dem Ertragswert entspricht. Der Substanzwert vom Grundstück auf dem die Apfelbäume stehen wird außer Acht gelassen. (Es ist kein Baugrund und eine Lage die nur für Apfelbäume geeignet ist)

Der jährliche Ertrag der Plantage beträgt also (vereinfacht) EUR 250,- die an den Investor ausgeschüttet werden können.

Gehen wir davon aus, dass sich die Ernte von 100kg pro Jahr auch in mittlerer Zukunft erzielen lassen wird und der Preis für Äpfel ebenfalls stabil ist.

Ein Investor kann sich also jedes Jahr relativ stabil 250 EUR Ertrag erwarten.

Gehen wir weiter davon aus, dass Investitionen mit ähnlichem Risiko gerade 5% Rendite pro Jahr bringen. In diesem Fall wäre die Plantage EUR 5000 wert. Der jährliche Ertrag von EUR 250 entspricht dann einer (Dividenden)-Rendite von 5%. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) wäre 20.

Das sind bereits 2 Kennzahlen (KGV, Dividendenrendite) die in der fundamentalen Aktienanlayse sehr häufig verwendet werden. Es gibt natürlich viele weitere Kennzahlen und Analysemethoden aber das würde den Rahmen des Beitrages sprengen.

Notiert diese Plantage jetzt an einer Börse und hat 1000 Aktien ausgegeben so wäre jede Aktie 5 EUR wert.

Wenn der aktuelle Aktienkurs z.B. 4,50 EUR ist (was einer Marktkapitalisierung von 4500 EUR = 4,5 x 1000) entspricht so kann man sagen die Aktie ist günstig.


Fundamentalanalyse von Kryptowährungen


Doch wie funktioniert so eine Analyse für Kryptowährungen?


Marktkapitalisierung: Anzahl der im Umlauf befindlichen Coins/Tokens


Um analysieren zu können, ob ein Coin, Token oder Protokoll im Krypto-Bereich „günstig“ bewertet ist muss natürlich vorher bekannt sein, wie die aktuelle Marktkapitalisierung ist.

Da die Marktkapitalisierung – wie im oberen Beispiel beschrieben – über die Anzahl der Anteile multipliziert mit dem Preis pro Anteil errechnet wird muss bekannt sein wie viele Anteile im Umlauf sind.


Bereits hier wird es aber sehr problematisch.


In der folgenden Tabelle habe ich die Angaben von den beiden bekanntesten und größten Quellen für Krypto-Marktinformation verglichen: Coinmarketcap: https://www.coinmarketcap.com und Coingecko: https://www.coingecko.com

Ich habe die dort angegebene Anzahl der im Umlauf befindlichen Tokens in die Tabelle übernommen.


Anzahl der im Umlauf befindlichen Token laut Coinmarketcap und Coingecko 18.12.2022:

Die Werte stimmen bei manchen Coins/Tokens überein aber bei anderen laufen sie in beide Richtungen auseinander. Es ist schwer zu sagen welche Angaben korrekt sind.

Bei einer börsennotierten Firma z.B. wäre so etwas undenkbar. Die Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien ist zu jedem Zeitpunkt bekannt und Neuemissionen oder Rückkäufe müssen immer zeitnah gmeldet werden, um nicht von der Börse verbannt zu werden.


Ein weiteres Problem ist die Angabe der maximalen möglichen Anzahl von Tokens. Hier kann man meiner Ansicht nach ausschließlich auf die Angaben bei Bitcoin vertrauen. Mehr als 21,5 Mio Bitcoin werden nie existieren da das Protokoll das tatsächlich nicht erlaubt. (100% ausschließen kann man auch dort nicht auf was sich die Miner in Zukunft „einigen“)


Ein gutes Beispiel von einem Token bei dem lange alle davon ausgegangen sind, dass es nie mehr als 1 Milliarde davon geben kann ist LUNA. (Heute: Luna Classic, Symbol: LUNAC) .

Das „maximum supply“ war bis Mai 2022 auf 1 Milliarde beschränkt. Doch beim Crash von Terra/LUNA haben die Validatoren dieses Limit einfach aufgehoben und es gab wenige Tage später plötzlich 6909 Milliarden LUNA – 6909 mal soviel wie angeblich maximal möglich.


Anbei noch eine Tabelle der 10 grössten Kryptowährungen mit Marktkapitalisierung und Marktanteil am gesamten Krypo-Universum (Daten von Coinmarketcap 18.12.2022).


Tokenomics: Inflation und Verbrauch (Verbrennung) von Coins/Tokens


Ein weiterer wichtiger Aspekt der Fundamentalanalyse ist die zukünftige Entwicklung der im Umlauf befindlichen Tokens. So werden z.B. an Validatoren (bei POS-Chains) bzw. Miner (bei POW Chains) pro Block sogenannte „rewards“ ausgezahlt. Diese Belohnungen werden mit neu erschaffenen Tokens bezahlt. Die Gesamtanzahl der im Umlauf befindlichen Tokens erhöht sich, was zu einer Verwässerung aller bestehenden Token-Inhaber führt (Inflation). Es gibt Blockchains mit bis zu 82% Inflation p.a. (die höchste Inflation die ich gefunden habe hat EVMOS mit 81,89% p.a.). Eine Inflation von 10-20% p.a. ist aber keine Seltenheit. Diese Information ist aber z.B. weder auf Coinmarketcap noch auf Coingecko zu finden.


Auf der anderen Seite werden oft Tokens vernichtet (verbrannt „burned“), was zu einer Aufwertung der im Umlauf befindlichen Tokens führt. So werden z.B. bei Ethereum bei jeder Transaktion ein Teil der Transaktionkosten – die in ETH bezahlt werden müssen – verbrannt.


Das Zusammenspiel von Neuausgabe und Verbrennung nennt man „Tokenomics“. Diese Tokenomics sind oft sehr schwer nachvollziehbar. Es fließen oft noch weitere Aspekte ein die aber den Rahmen des ohnedies bereits langen Beitrages hier sprengen würden.


Staking und andere Rewards: Erträge aus Coins/Tokens


Hier geht es um die mögliche Ernte. Die einfachste Art mit Kryptowährungen Erträge zu erwirtschaften ist das sogenannte Staking. Dabei vertraut man Validatoren seine Tokens an und diese verteilen dafür ihre block-rewards (Belohnung für das Erstellen neuer Blöcke die aus den Transaktionskosten aller Transaktionen im Block sowie aus neu geschaffenen Tokens besteht). Man braucht – wenn man Token an einen Validator-Node delegiert – keine Angst um diese zu haben. Ohne private-key kann der Validator sie nicht ausgeben. Er hat aber sehr wohl in den meisten Fällen die Stimmrechte dieser Tokens. Bei Abstimmungen nehmen meist NUR Validator-Nodes teil. Als „einfacher“ Inhaber einer Kryptowährung hat man meist keinerlei Stimmrechte.


Die Erträge aus dem Staking abzüglich der Inflation (den sogenannten „adjusted reward“ kann man am ehesten mit einer „Dividende“ bei klassischen Aktien vergleichen.


Eine Auflistung der staking rewards unterschiedlicher Kryptowährungen und Protkolle gibt es hier: https://www.stakingrewards.com

Wichtig ist auch hier zu erwähnen, dass die Angaben auf dieser Seite nicht unbedingt korrekt sein müssen.


Fundamentalanalyse am Beispiel: Ethereum


Anhand eines Beispiels gehe ich die erwähnten Punkte durch. Ethereum ist die zweitgrösste Kryptowährung nach Marktkapitalisierung und die grösste welche die Ausführung von smart contracts ermöglicht und damit vielen Anwendungen wie z.B. Tokenwolf, NFTs, Stablecoins, etc. Ethereum ist auch sehr transparent was die Tokenomics angeht.


Ethereum Supply


Weiter oben habe ich bereits gezeigt dass bei der Angabe der im Umlauf befindlichen Tokens die zwei grössten Informationsanbieter im Krypto-Bereich sich widersprechen. Coinmarketcap und Coingecko machen unterschiedliche Angaben.


Coinmarketcap hat die Angaben offensichtlich von Messari. Eine Seite mit sehr vielen Informationen über zahlreiche Kryptowährungen. Nur leider sind die bei Ethereum auch seit dem «Merge» Mitte September (Umstellung von POW auf POS) völlig inkorrekt. Siehe Messari Angaben zu Ethereum-Supply: https://messari.io/asset/ethereum/charts/supply/general

Messari gibt an, dass sich der Supply seit September nicht geändert hat und das ist nicht korrekt.


Der beste Weg auf den korrekten Wert zu kommen (ohne selbst den Code der Blockchain-Software lesen zu müssen) ist es immer nach sogenannten «Block Explorern» zu suchen. Also auf Google eingeben «Ethereum, Block Explorer». Man wird dabei auf die Seite https://etherscan.io kommen. Ausserdem findet man auf der Seite der Ethereum-Organisation https://ethereum.org weitere wertvolle Informationen.


Der tatsächliche Ethereum-Supply laut Etherscan: https://etherscan.io/stat/supply

In diesem Fall liegt also Coingecko richtig.


Ethereum Inflation


Über die Neuausgabe von ETH gibt es eine gute Erklärung direkt auf der Seite der Ethereum Foundation:

Ethereum neue Ausgabe nach “The Merge”: https://ethereum.org/en/upgrades/merge/issuance/

Quintessenz: Seit dem «Merge» werden pro Tag 1700 neue ETH an Validatoren verteilt. Das ist 88% weniger als vor dem Merge.

Es werden aber auch ETH bei jeder Transaktion verbrannt. Wenn die Transaktionskosten nicht extrem billig sind (16 gwei gas-fee) dann ist Ethereum nichtmehr inflationär. Bei höheren Transaktionskosten ist es sogar deflationär.


Es ist aber deutlich zu erkennen dass Vorhersagen über die tatsächliche zukünftige Menge an ETH im Umlauf sehr schwierig sind.


Ethereum Staking rewards


Derzeit erhält man für ETH-Staking etwa 3,98% rewards p.a. (Quelle: https://www.stakingrewards.com). Auch diese Zahl variiert aber mit der Anazhl der gestakten ETH. Je mehr Leute staken umso weniger erhält der einzelne. Das ist auch anders als bei einer gewöhnlichen Aktiengesellschaft bei der die Dividenden immer an ALLE Aktionäre ausgeschüttet werden.


Da die staking rewards aber ebenfalls in ETH ausgeschüttet werden ist eine Bewertung von ETH in USD (oder EUR) allein dadurch nicht wirklich möglich. Egal wie teuer ETH ist die staking rewards sind davon unabhängig. Bei einer Aktie steigt die Dividendenrendite, wenn der Preis fällt und vice versa (da die Dividenden in derselben Währung ausbezahlt werden in der die Aktie an der Börse notiert). Bei einer Kryptowährung ist das NICHT der Fall.


Was bestimmt den Preis einer Kryptowährung


Wie soeben gezeigt ist es nicht möglich den Wert einer Kryptowährung in Fiat (USD, EUR) festzumachen selbst dann, wenn man sie fundamental analysiert.

Die Analyse sollte also zum Ziel haben Tokens zu finden die in der Anwendung gefragt sind (z.B. für Transaktionskosten) und dabei langfristig deflationär sind. Also die Anzahl der im Umlauf befindlichen Tokens sollte rückläufig oder maximal gleichbleibend sein.

Der Preis am Markt wird ausschliesslich von Angebot und Nachfrage bestimmt. Wird eine Anwendung stärker genutzt steigt die Nachfrage. Kommen keine neuen Tokens auf den Markt wird auch der Preis steigen.


Bitcoin ist ein gutes Beispiel dafür. Bei Bitcoin erhält man keinerlei staking rewards. Die Transaktionskosten werden auf die POW-Miner verteilt. Jemand der Bitcoin in seiner Wallet hat darf keinerlei Rendite daraus zu erwarten. Einzig die Hoffnung, dass Bitcoin als Zahlungsmittel immer stärker gefragt wird rechtfertigt Kursanstiege.


Leider führt diese Unmöglichkeit einer guten Fundamentalanalyse dazu, dass die Märkte auch sehr stark von Spekulation getrieben werden können. Niemand kann genau sagen, wann es günstig oder teuer ist.


Security Token im Vergleich zu Kryptowährungen


Security Token sind im Prinzip normale Wertpapiere (wie Aktien, Anleihen etc.) welche die Vorteile der Blockchain nutzen.


Im Gegensatz zu Kryptowährungen haben Security Tokens folgende Merkmale:

  • Die Anzahl der im Umlauf befindlichen Tokens ist immer bekannt und stabil. Beispiel GIMMO-Token: Es gibt 20.000 Stück. Mehr wird es nie geben. Keine Inflation und Verwässerung.

  • Security Tokens verbriefen ein Recht auf einen tatsächlichen Wert (Beispiel GIMMO-Token: Jeder Token steht für einen Anteil an einem tatsächlich existierendem und vermietetem Zinshaus mit richtigen Mieteinnahmen in EUR)

  • Ausschüttungen erfolgen in Fiat-Währung (Beim GIMMO Token werden die überschüssigen Mieterträge in EUR ausgeschüttet)

  • Stimmrechte sind immer für jeden Token-Inhaber vorhanden und können ausgeübt werden. (Bei Kryptowährungen haben in den allermeisten Fällen nur Validator-Nodes Stimmrechte. Gestakte Token haben keine Stimmrechte)

Security-Token haben ausserdem im Gegensatz zu Wertpapieren den Vorteil, dass man sie selbst direkt auf der eigenen Wallet halten kann und kein Wertpapierdepot bei einer Depotbank benötigt. Durch den private-key hat man das alleinige Recht darüber verfügen zu dürfen.











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